Machtkonflikte in Russland
Beginn der Konflikte:
1985 trat Gorbatschow an die Spitze der Partei. Es gelang ihm in kurzer Zeit, die alte
breschnewtreue Parteiführung weitgehend auszuwechseln. Unter den Schlagwörtern "glasnost"
(Offenheit) und "perestroika" (Umgestaltung) proklamierte er eine
Reformpolitik, die darauf abzielte, das politische und wirtschaftliche System effektiver
zu gestalten und in gewissem Umfang zu demokratisieren. Allerdings wurde Gorbatschow ein
Opfer der von ihm eingeleiteten Liberalisierung. Als die Sowjetunion nach den intensiven
Verselbständigungsversuchen der meisten Sowjetrepubliken 1992 aufgelöst wurde, wurde
auch sein Amt hinfällig.
Der frühere Staats- und Parteichef Gorbatschow spielt heute keine Rolle mehr im
politischen Leben Rußlands. Er hatte sich zwar bei den letzten Präsidentschaftswahlen
auch um dieses Amt beworben, konnte aber nur wenig Stimmen auf sich vereinigen. Der
jetzige Präsident Rußlands ist Boris Jelzin .
Aus der früheren Sowjetunion ging die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)
hervor, der zwölf der vormals fünfzehn Republiken angehören. Lediglich die drei
baltischen Staaten haben kein Interesse an einer Teilnahme an diesem lockeren Staatenbund.
Der weitaus größte GUS-Staat ist Rußland, das auf seinem Riesenterritorium eine
Vielzahl von Völkern und Nationalitäten beherbergt. Einige dieser Nationalitäten
nutzten die Liberalisierung seit Gorbatschow, um mehr Autonomie oder gar die
Unabhängigkeit von Rußland zu fordern. Zu diesen Völkern zählen beispielsweise die
Tschetschenen, die mit ihrem Unabhängigkeitsstreben einen Krieg mit Rußland
provozierten.
11.12.1994 Beginn des Krieges in Tschetschenien
Ursachen:
- aggressive sowjetische Außenpolitik
- angespanntes Ost-West-Verhältnis
- Unterdrückungen von Staaten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion
- Benachteiligung der Minoritäten im Land
- fehlende innenpolitische Stabilität
- Zerfall der UdSSR: alle Staaten bleiben vom Zerfall bedroht
- Nuklearwaffen und Overkill-Kapazität bzw. das Verfügungsrecht darüber
- Rohstoffvorkommen, die die Interessen zahlreicher Mächte auf diese Region lenken
- anhaltende Wirtschaftskrise nach dem Zusammenbruch des Kommunismus
- Türkei und Iran möchten wegen der großen Ölvorkommen in Zentalasien politisch und
ökonomisch Fuß fassen.
- Drogenhandel und mafiaähnlich organisierte Kriminalität
- Angst, daß Rußlands Souveränität verlorengeht
- russisches Interesse am Iran
- iranisch-russische Partnerschaft ist den USA auch in energiepolitischer Hinsicht ein
Dorn im Auge
- Energietransport (Verlauf der Ölpipelines über außerrussische Gebiete)
- aggressive Haltung unter den Politikern
- Streit um die russische Schwarzmeerflotte auf der ukrainischen Halbinsel Krim zwischen
Rußland und der Ukraine
- Politiker halten sich nicht an Abkommen
Konfliktparteien und ihre Ziele:
- Minderheiten: sie streben nach Unabhängigkeit von Rußland
- Altstalinisten: sie wollen die alte Sowjetunion wiederherstellen
- russische Parteien mit unterschiedlichen Zielsetzungen von links bis rechts
- Nachbarländer mit eigenen Interessen in den russischen Randgebieten (z. B. Ukraine,
Türkei, Weißrußland u.a.)
Folgen / Auswirkungen :
- Das ungleiche Kräfteverhältnis in den internationalen Beziehungen führte in den
vergangenen vier Jahren zu einer weiteren Destabilisierung der Region.
- Aserbaidschan wurde bis Ende 1995 von der Hilfe der USA ausgeschlossen.
- Die Regierung in Moskau wurde gespalten.
- Die Hauptstadt Tschetscheniens, Grosny, versank
in Schutt und Asche
- Der Versuch, mit den USA eine strategische Partnerschaft zu erreichen, mißlang.
- Die Angst vor einer "Afghanisierung" der Region, sollte es zu einem Krieg um
politischen und ökonomischen Einfluß kommen
- Der Kampf bei Grosny kostete Tausenden von Zivilisten das Leben.
- fehlende innenpolitische Stabilität
- Die GUS-Staaten bleiben vom Zerfall bedroht
- Migrationswellen: viele Menschen sind in andere Gebiete geflüchtet
- hohe Preise für Fisch und alle anderen Lebensmittel
- das Leben der Bevölkerung heute ist so schlimm wie damals im Krieg
- das Wasser wird verseucht, Zerstörung der Natur durch Fabriken
- Alkoholmißbrauch der Bevölkerung, die ihren Kummer "ersäuft"
Lösungsansätze:
- Friedenschluß in Tschetschenien.
- Rußland akzeptiert jetzt die "Partnerschaft für den Frieden" mit der NATO.
- Manche Konfliktfelder wie beispielsweise in Moldawien oder in Nagornyj Karabach konnten
zwischenzeitlich eingedämmt werden durch Friedensregelungsmechanismen innerhalb der GUS
sowie durch Vermittlung der internationalen Gemeinschaft (UNO).
- Stabilität im post- sowjetischen Raum wird allerdings erst dann erreicht werden, wenn
die neuen Staaten ihre neue Staatsform und Identität klar definiert und den Weg der
ökonomischen Prosperität eingeschlagen haben.
- Die unkontrollierte Proliferation von Nuklearmaterialien konnte mit Hilfe der
internationalen Gemeinschaft entschärft werden.
- Im Verlauf der Jahre 1993 - 1994 gelang es mit Hilfe russischer Friedenstruppen die
Konflikte in Moldawien, Nagornyj Karabach, Abchasien, Südossetien und Tadschikistan
einzudämmen.
- Allerdings mißlang Moskau jegliche Friedensregelung auf eigenem Territorium: in
Tschetschenien Versuch der Integration in europäische und internationale Strukturen der
Konfliktregelung. Aber es geht eben nicht beides: Rußland so gut wie möglich zu
integrieren und den mit äußerster Brutalität geführten Krieg in Tschetschenien zu
ignorieren.
- Beschluß der Militärdoktrin von 1993, in der der Schutz der russischen Minderheiten im
Ausland zum integralen Bestandteil nationaler Sicherheitsinteressen erhoben wird - das
heißt: die nächsten Konflikte sind vorprogrammiert, weil in vielen nichtrussischen
Gebieten seit den Zeiten der Sowjetunion viele Russen leben.
- In einem von Jelzin im November 1994 erlassenen Dekret behält sich Rußland außerdem
das Recht vor, in Krisensituationen die russischen Staatsbürger aus dem "Nahen
Ausland" zu evakuieren.
Quellen:
Bertelsmann Universal Lexikon
GEO
Das Parlament Nr. 16-17 12./19. April 1996
Das Parlament 5. April 1996
DP Nr. 15 vom 5.4.1996
Das Parlament Nr. 23 vom Juni 1995

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Stand: 2002-07-16
Aktueller Bearbeiter: Jessica Lange
Ursprungsautor: Kerstin Knausenberger
Frühere Bearbeiter: Nardane Burgaz, Paul Glass 1997-07-24
Grafik: "Unsere Erde" von Rudas & Karig (Verlag Markt & Technik)
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