Der Kreml schweigt zu den Vorwürfen

Dokumente zu Verbrechen im russischen Fernsehen

Von Florian Hassel (Moskau)
Aus der Frankfurter Rundschau

Sergej Jasterschembskij hüllte sich in Schweigen. Wie das restliche offizielle Moskau zog es der Tschetschenien-Sprecher des Kreml vor, die Vorwürfe der Frankfurter Rundschau und der Süddeutschen Zeitung nicht zu kommentieren: Nach gemeinsamer Recherche im Kaukasus hatten beide Zeitungen Belege für Kriegsverbrechen russischer Truppen und die systematische Vertuschung durch die russische Führung präsentiert. Ein Mitarbeiter Jasterschembskijs nannte die Vorwürfe "absurd", die Quellen der Zeitungen, etwa bei ihrem Bericht, wie russische Militärhubschrauber Ölquellen in Brand schießen, seien nicht seriös.

Tatsächlich beriefen sich FR und SZ auf ihnen vorliegende Dokumente vom Vize-Chef der Zivilverwaltung Tschetscheniens. Die Moskauer Militärstaatsanwaltschaft hat zugesagt, zu Mord- und Folter-Vorwürfen durch russische Soldaten Stellung zu nehmen, den ersten Termin jedoch nicht eingehalten.

Im Fall des Todes von Leila Nurgalijewa, die in Grosny nach Schüssen auf einen Bus gestorben war, haben die russischen Ermittler keinen der verdächtigen Soldaten vernommen. Vize-Staatsanwalt Wiktor Russkich sagte: "Auf die Soldaten ist geschossen worden; als Antwort darauf eröffneten sie das Feuer auf den Bus."

Diese Angaben stehen im krassen Widerspruch zu Zeugenaussagen. Kremlnahe Zeitungen wie die Iswestija übergingen die Berichte ebenso wie Nachrichtenagenturen. Die Tageszeitung Kommersant druckte zwei Artikel nach, ließ aber die Dokumentation der Menschenrechtsverletzungen aus. Vor allem der Bericht über die Plünderung der tschetschenischen Öl- und Stromindustrie stieß auf Resonanz: "Alle diese Informationen sind das Werk Udugows (des Rebellen-Propagandisten, d. Red.) und sollen die Autorität der Verwaltung untergraben", sagte deren Chef Achmed Kadyrow. Am Donnerstag präsentierten beide Korrespondeten ihnen vorliegende Dokumente zu Menschenrechtsverletzungen in den Abendnachrichten des privaten russischen Fernsehsenders NTW.


Quellennachweis

http://www.fr-aktuell.de



 

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Stand: 01-03-01
Aktueller Bearbeiter: Mehmet Sanlier (1999/2001)
Datei: tschetc/tschetc.htm