Der Nordirland-Konflikt

Jahrzehntelang tobte in Nordirland eine erbitterte Schlacht zwischen Katholiken und Protestanten. Immer wieder gab es Hoffnung auf Frieden, doch es blieb eine trügerische Hoffnung. Seit 2005 ist der Bürgerkrieg formell zu Ende, seit Mai 2007 ist eine Allparteienregierung im Amt.
Diese Seite informiert über die Entstehung, Ursachen und Auswirkungen des Terrors und der Konflikte in Nordirland.

Beginn - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Folgen - Ende - Quellen

Beginn:

Der Nordirlandkonflikt hat vor allem seit den 60-er Jahren immer wieder von sich reden gemacht. Angesichts von Paraden und Umzügen kam es oft zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Minderheit und den Protestanten. Für einen Außenstehenden ist es oft unverständlich, warum diese Gruppen, die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften angehören, immer wieder in Konflikt geraten.

In Nordirland fand aber der letzte religiöse Konflikt im 16. Jahrhundert statt, heute zeigt die Unterteilung in Katholiken und Protestanten nur die Gruppenzugehörigkeit. Die Konflikte in diesem Jahrhundert sind wegen sozialer und politischer Unstimmigkeiten entstanden.


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Ursachen:

Der Nordirlandkonflikt hat eine lange Vorgeschichte. Schon im 12. Jahrhundert landeten englische Schiffe auf dem irischen Festland. Alle Versuche der Iren die Engländer aufzuhalten schlugen fehl und innerhalb kurzer Zeit hatte England Irland besetzt. Vollständig wurde Irland erst unter Heinrich VIII. unterworfen und unterstand dadurch der englischen Krone, König Heinrich wurde der erste englische König von Irland. Da König Heinrich sich von der katholischen Kirche löste und in England den Protestantismus einführte, wurde nun auch versucht den Protestantismus auf Irland auszuweiten. Vor allem Elisabeth I. spielte hier eine wichtige Rolle. Elisabeth zwang den Katholiken die anglikanische Kirchenverfassung auf und hatte infolgedessen mit schweren Aufständen zu kämpfen, die blutig niedergeschlagen wurden. Aber alle Versuche schlugen fehl. Noch immer blieben die meisten Iren katholisch, auch wenn sie ihre Religion heimlich praktizieren mussten. Hier hat auch der religiös begründete Konflikt seinen Ursprung. In Irland kam es immer wieder zu Aufständen, die aber alle erfolglos blieben. Nachdem der Adel von Ulster geflohen war, siedelte König James I. rund 100.000 presbyterianische Schotten an. So machten die Protestanten nun einen Großteil der Bevölkerung in Ulster aus. Die Iren wurden Pächter der neuen protestantischen Grundherren. Diese weitere Demütigung trug unter anderem zu dem Aufstand von 1641 bei, der aber auch blutig niedergeschlagen wurde. 1650 kämpften die Protestanten unter dem Kommando von Oliver Cromwell und ab 1690 unter Wilhelm von Oranien. Wilhelm von Oranien zu Ehren wird jedes Jahr eine Osterparade von den Protestanten abgehalten. Speziell erinnern sie dabei an eine Belagerung durch die keltisch- katholische Truppen Jakobs II., bei der Wilhelm von Oranien durch das Durchhaltevermögen der Protestanten als Sieger hervorging.

Die Insel war nun eine (die erste) Kolonie Englands. Wirtschaftlich wurde Irland vor allem durch Einschränkungen (z. B. durch Exportbeschränkungen) geschädigt. Des weiteren kam es zu Hungerkatastrophen unter den Katholiken und damit verbundenen Auswanderungswellen (meist in die USA). Aber auch die Aufstände im 17. Jahrhundert konnten der englischen Herrschaft nichts anhaben. Die Protestanten genossen weiterhin Vorrechte, von denen die Katholiken ausgeschlossen waren. Erst mit dem Beginn des 1.Weltkrieges änderte sich die Situation. Parallel mit dem Kampf gegen Deutschland musste England nach Ostern auch Truppen nach Irland schicken um eine irische Revolution zu stoppen. 1919 wurde vom Untergrundparlament in Dublin die irische Republik ausgerufen. Nach einem blutigen Kampf wurde sich das englische Parlament bewusst, dass es nicht länger möglich war, Irland als ein Teil Großbritanniens zu behalten. 1922 wurde ein eigener irischer Staat geschaffen. Jedoch das Ulstergebiet blieb ein Teil Großbritanniens, da die Protestanten in der Mehrheit waren. Das war aber nicht das Ende der irisch-englischen Auseinandersetzungen. Die irische Nationalbewegung spaltete sich zwischen den Kompromissbereiten und den Kompromissgegnern. Die Kompromissgegner scheiterten, setzten aber ihren Kampf für die Wiedervereinigung von Nordirland und Südirland fort. Sie agierte als illegale „Irish Republican Army" (IRA). Mit Bombenanschlägen, Morden und Sabotageakten versuchten sie die Wiedervereinigung Irlands zu erzwingen.

Außerdem waren noch ab 1969 britische Truppen in Nordirland stationiert. Zu ihnen gehörten die Spezialeinheiten, die SAS (Special Air Service) und die UDR (Ulster Defence Regiment): Insgesamt trugen diese Truppen aber eher zu einer Verschärfung des Konfliktes bei, anstatt ihn zu lösen.


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Konfliktparteien:

Katholiken

Protestanten

SDLP (Social Democratic and Labour Party): mit der Sinn Fein (politischer Arm der IRA; Präsident: Gerry Adams) für den Anschluss an Irland UUP (Ulster Unionist Party) gemäßigte Partei
NICRA (Northern Ireland Civil Rights Association) Forderung nach mehr politischen Rechten und nach sozialem Ausgleich, jedoch nicht unbedingt für die Vereinigung Irlands DUP (Democratic Unionist Party) radikal; einer ihrer Führer war Ian Paisley (geb. am 26. April 1926, protestantischer Pfarrer), der ab 1970 auch einen Sitz im Unterhaus hatte. Von 1979 bis 2004 war er auch Mitglied im Europäischen Parlament. (Quelle und weitere Informationen: de.wikipedia.org/wiki/Ian_Paisley)
IRSP (Irish Republican Socialist Party) extremistische Katholiken    

Extremisten:

Katholiken Protestanten
IRA (Irish Republican Army) 1919 von dem Freiheitskämpfer Michael Collins gegründet. Militärischer Arm der Sinn Fein, spaltete sich ab. Die IRA hatte nicht die Unterstützung bei der Mehrheit der katholischen Bevölkerung, da bei ihren Anschlägen auch viele unschuldig umkamen. B-Polizei Hilfstruppe, paramilitärisch
INLA (Irish National Liberation Army) spaltete sich 1972 von der IRA ab; militärischer Arm der IRSP RUC (Royal Ulster Constabulary) stark bewaffnete Polizeieinheit; in den blutigen Aus- einandersetzungen handelten sie immer parteiisch
    UVF (Ulster Volunteer Force) gehört zu den radikalen Milizen
    UDA (Ulster Defence Association) gehört zu den radikalen Milizen
    PAF (Protestant Action Force) radikale Milizen, paramilitärisch
    UFF (Ulster Freedom Fighters) Terroreinheit
Ziel Ulster soll ein Teil Irlands werden Ziel Ulster soll ein Teil Großbritanniens bleiben

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Verlauf:

Die Ulsterregion war zur Mehrheit protestantisch. Die katholische Minderheit wurde von der protestantischen Mehrheit diskriminiert. Auf politischem Wege konnten die Katholiken nichts erreichen, da es Wahlgesetze gab, die den Unionisten die Mehrheit sicherten.

60-er Jahre bzw.
Die Eskalation des Konfliktes:

Es gab des öfteren kleinere Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken, zur Eskalation des Konfliktes kam es aber erst in den 60-er Jahren, nachdem lang versprochene und für das Land benötigte Reformen ausblieben. Hinzu kam noch die ständige Angst der Protestanten und Katholiken vor einer Übermacht des anderen. Hier muss noch dazu gesagt werden, dass es in diesem Jahrhundert im Nordirlandkonflikt nicht mehr um religiöse Probleme ging (keine Missionierung), wie es die Unterteilung in katholisch und protestantisch vortäuscht, sondern um soziale und politische Probleme.

Unter der Regierung von Terence O'Neils (1963) wurde erstmals Bewegung in die Nordirlandpolitik gebracht, O'Neils scheiterte dann aber an seiner eigenen Partei. In den 60- Jahren entstanden auch Bürgerrechtsbewegungen die ursprünglich friedlich für eine bessere politische und soziale Situation der Katholiken eintraten. 64/65 gab es Demos für ein gerechteres Wahlsystem und mehr soziale Gerechtigkeit. Am 5. Oktober fand ein Bürgerrechtsmarsch in Londonderry statt. Der Marsch hatte für Nordirland schwerwiegende Folgen: Es kam zu Übergriffen der Polizei auf die Katholiken. Die Folge hiervon waren Straßenschlachten zwischen Protestanten und Katholiken. Gegen Ende der 60- er nahm der Konflikt immer mehr Züge eines Bürgerkriegs an. Beide Seiten wurden radikaler, vor allem die royalistische „Ulster Protestants Volunteers" unter dem Pfarrer Ian Paisley trugen zur Eskalation des Konflikts bei. Sie drangen häufig in Bogside, dem katholischen Viertel in Londonderry, ein und überfielen die Bewohner. Bei den wichtigen Umzügen von beiden Gruppen kam es zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen RUC und B- Polizei. Die IRA reagierte zuerst noch zurückhaltend, aber als die Übergriffe in katholischen Wohngebieten sich häuften (es hieß dort werden Waffen vermutet), fing auch die IRA mit Bombenangriffen und Sabotageakten an, um auf die gegnerische Seite Druck auszuüben. 1969 wurden die Auseinandersetzungen immer schlimmer. Die britische Regierung schickte die Armee nach Nordirland um dort für Frieden zu sorgen. Dieser Schritt wurde zuerst von beiden Seiten begrüßt.

"Bloody Sunday"

Zwei Jahre später kam es zu einer inneren Spaltung der IRA, in eine Fraktion, die als Terroreinheit agieren wollte, und eine andere, die mehr den Schutz der katholischen Viertel im Auge hatte. Es kam zum Konflikt zwischen der Armee und der Untergrundorganisation. Willkürliche Übergriffe, Schießereien und etliche zivile Opfer waren die Folge. Die provisorische IRA führte nun einen Guerillakrieg ähnlichen Kampf. Neue Anschläge in Nordirland und London verunsicherten die Armee. Die Folge waren neue Übergriffe auf die katholische Bevölkerung und zivile Opfer.

Der Hass unter der katholischen Bevölkerung wurde im Sommer von Internierungsaktionen und Verhaftungswellen geschürt. Wieder gab es Ausschreitungen in Belfast mit 20 Toten und eine Flüchtlingswelle der katholischen Bevölkerung über die Grenze. Nach dem sogenannten Blutsonntag von Londonderry (30. Januar 1972), einem Anti-Internment-Protestzug, der von der britischen Armee blutig beendet wurde, verschärfte sich die Situation derart, dass die britische Regierung eingreifen musste. Die nordirische Regierung in Belfast wurde abgesetzt und dafür ein Nordirlandminister eingesetzt, der die Regierungsgewalt erhielt. Zusätzlich wurde die Armee in Nordirland vergrößert. Aber auch die IRA griff nach dem Blutsonntag ein, jedoch mit Rachefeldzügen gegen die britischen Soldaten. Premierminister Edward Heath ermöglichte eine Zusammenkunft der 73 neugewählten Repräsentanten der nordirischen Regierung. Es wurde eine Bildung eines gesamtirischen Rates beschlossen. Es kam zu einer unionistischen Streikbewegung. Durch diesen Widerstand blieb der Beschluss wirkungslos.

Überkonfessionelle Organisationen (Peace People) organisierten 1976 Masssenproteste gegen die Unfähigkeit der Politiker und gegen den Terror. Durch Hungerstreiks der IRA Gefangenen in den Internierungslagern wurden sie immer mehr zu Märtyrern der Katholiken erklärt. Es gab mehrere Hungerstreikstote in diesem Zusammenhang. Ein neuer Bombenanschlag in London forderte acht Tote und 50 Verletzte.

 

80-er Jahre:

Endlich gab es politische und soziale Reformen. Neue Wahlen im Jahr 1982 brachten wieder den Protestanten die Mehrheit.

Die INLA verübte einen Terroranschlag in Bellykelly mit 16 Toten. Ab 1982 schickte Sinn Féin Gerry Adams ins Unterhaus nach London. Adams würde in den nächsten 12 Jahren eine wichtige Rolle im Friedensprozess spielen. 1984 wurde wieder ein Bombenanschlag verübt, diesmal aber im Grand Hotel in Brighton, in dem Margaret Thatcher zu dieser Zeit während eines Parteitages wohnte. Mrs. Thatcher blieb unverletzt. Die Terroraktionen auf beiden Seiten rissen nicht ab. Allmählich stellte sich bei den Nordiren eine Kriegsmüdigkeit ein. Die irische Regierung in Dublin kritisierte das britische Vorgehen im Nordirlandkonflikt und richtete Flüchtlingslager an der Grenze zu Nordirland ein.

1985 kam es zu einem Abkommen zwischen Irland und Großbritannien. Irland akzeptierte solange die Zugehörigkeit Nordirlands zu dem Vereinigten Königreich wie die Mehrheit der Nordiren dafür sein werde. Im Gegenzug erhielt Dublin ein Mitwirkungsrecht bei der Interessenverteidigung der Katholiken in Nordirland. Die Protestanten, ebenso wie die IRA waren mit diesem Abkommen nicht einverstanden. 1989 kam es bei der Gedenkfeier zu Ehren der Opfer aus beiden Weltkriegen zu einem weiteren Bombenattentat in Ulster. Es gab 11 Tote. Der Terror der IRA ging weiter.

Erst 1989 wurde sich die britische Regierung bewusst, dass der Nordirlandkonflikt nicht mit Gewalt zu lösen ist. Sie schlug vor mit der IRA zu verhandeln.

 

90-er Jahre:

Der erste Versuch nach 15 Jahren zwischen Katholiken und Protestanten zu vermitteln scheiterte im Sommer 1991, da man keinen gemeinsamen Kompromiss finden konnte. Bei diesen Gesprächen waren die IRA und die Sinn Féin ausgeschlossen gewesen. Erst 1992/93 wurde Sinn Féin in die Friedensverhandlungen mit eingebunden. Dies war vor allem ihrem Vorsitzenden Gerry Adams und dem Vorsitzenden der SDLP, John Hume, zu verdanken.

Ebenfalls 92/93 verübte die IRA Anschläge in Nordirland und in London, speziell auf das Londoner U-Bahnnetz. Bei einem Bombenanschlag in Warrington kamen zwei Kinder ums Leben. Dies führte zu den größten Demos gegen Terror in der Geschichte des Nordirlandkonfliktes. Die Friedensverhandlungen wurden wegen eines weiterem Bombenanschlags in London vorzeitig abgebrochen.

Erst im September 1993 wurde man sich über eine gemeinsame Friedensstrategie einig. Es gab inoffizielle Kontakte zwischen der IRA und der britischen Regierung. Im Dezember 1993 wurde man sich endlich über ein gemeinsames Vorgehen im Friedensprozess von Nordirland einig. Es wurde zum einen die Beteiligung der IRA bei den Friedensgesprächen beschlossen, und zum andern sollte eine Volksabstimmung über die Vereinigung Ulsters mit Irland stattfinden. Die UUP, DUP und Sinn Féin waren mit diesem Ergebnis unzufrieden. Es gab also auf beiden Seiten Enttäuschung darüber. Der Sinn Féin waren die Ergebnisse zuwenig, sie wollte zusätzlich noch eine Garantie für den Abzug der britischen Truppen aus Nordirland. Außerdem waren sie gegen das Vetorecht der UUP bei Verfassungsänderungen. Allerdings sah die Sinn Féin den Kompromiss mit den Unionisten als Zwischenziel auf dem Weg zur irischen Einheit an. Dieses Abkommen galt als gemeinsames Rahmenabkommen über zukünftige Friedensverhandlungen um die Interessen von beiden Seiten zu schützen.

Bis 1994 gab es zahlreiche Bombenattentate und politische Morde, ausgeführt von radikalen Gruppen auf beiden Seiten (UFF, UVF, /IRA, INLA).

Im August 1994 erklärte die IRA einen uneingeschränkten Waffenstillstand. Im Gegenzug wurden auch von der UDA und UVF Waffenstillstandserklärungen abgegeben. Zu erneuten Gesprächen der britischen Regierung und der Sinn Féin kam es Ende 1994. Von 1969 bis zu diesem Zeitpunkt hatte es 3.171 Tote und mehr als 20.000 Verletzte durch Terrorakte gegeben.

Die Friedensentwicklung ging 1995 mit dem Abzug der britischen Soldaten weiter. Der Rückzug war eine Reaktion auf den Waffenstillstand der Untergrundorganisationen. Im Februar 1998 erhielten die Nordiren das Selbstbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen mit Irland zusammenzuarbeiten. Der Friedensprozess wurde immer wieder durch Zwischenfälle gestört, doch nie ernstlich gefährdet. Erst als die IRA ihren Waffenstillstand aufgehoben hatte, wurde der Friedensprozess abgebrochen.

Der Frieden erhielt erst nach dem Regierungswechsel (Tony Blair wird britischer Premier) eine neue Chance. Tony Blair lud im Mai 1997 Sinn Féin zu Friedensverhandlungen ein. Die Voraussetzung hierfür war eine Erneuerung des Waffenstillstandes der IRA. Dieser geschah dann im Juli 1997. Es wurde beschlossen eine internationale Kommission mit der Entwaffnung beider Gruppierungen zu beauftragen. Diese nahm parallel zu den Friedensverhandlungen ihre Arbeit auf.

 

Das Karfreitags-Abkommen

Das Nordirland-Abkommen vom 10. April 1998, auch als Karfreitags-Abkommen bekannt, führte die Friedensverhandlungen zu einem erfolgreichen Ende. Bei den Verhandlungen wurde zum einen beschlossen, dass falls eine Mehrheit der nordirischen Bevölkerung für eine weitere Zugehörigkeit Nordirlands zu Großbritannien wäre, alle Beteiligten das akzeptieren müssen. Des weiteren soll Nordirland ein umfassendes Regionalparlament mit 108 Sitzen erhalten. Für Entscheidungen ist eine doppelte Mehrheit nötig, das heißt, von jedem Lager müssen 40% zustimmen. Ein Rat mit irischen und nordirischen Ministern soll zur Beratung zur Verfügung stehen. Die Anbindung an Großbritannien soll über einen britisch-irischen Rat erfolgen. Die britisch-irische Beziehung soll eine dauerhafte Basis durch die Einrichtung einer Regierungskonferenz erhalten. Diese soll den Friedensprozess überwachen und politische Probleme falls nötig klären.

Eine Volksumfrage pro / contra Nordirlandabkommen endete mit einer 70%igen Mehrheit für das Abkommen. Der erste Regierungschef in Nordirland war David Timble (UUP) und als Stellvertreter Seamus Mallon (SDLP). Die für Abstimmungen entscheidende Mehrheit erreichten die Unionisten nur knapp. Das Haupthindernis bei der Durchführung des Nordirlandsabkommen war die Entwaffnung der protestantischen Paramilizen und der IRA. Ein weiterer Streitpunkt waren noch die Streckenführungen bei den Gedenkmärschen der unionistischen Traditionsvereinen zur Erinnerung an die Siege über die Katholiken im 17. Jahrhundert. Auch heute noch führen diese Strecken teilweise durch katholische Wohnviertel.

Ereignisse ab 2000:

Im Februar 2000 kam immer noch kein Frieden zwischen Nordirland und der IRA zustande.
Für die irisch-katholische Seite war die "Suspendierung" von Regierung und Parlament Nordirlands durch die Briten eine Katastrophe. Nordirland-Minister Peter Mandelson hat bei "Sinn Fein" das Vertrauen verloren. Er verkündete nämlich die Suspendierung.
Die Abrüstung von Waffen ist immer noch ein Thema. Die IRA erklärte sich nicht bereit die Waffen abzulegen aber sie wolle "im Rahmen der vollen Umsetzung des Friedensabkommens erwägen, wie diese unbrauchbar gemacht werden können". Die internationale Abrüstungskommission interpretierte dies sofort als politisches Zeichen, dass Waffen- und Sprengstofflager bis 22. Mai aufgelöst werden könnten, wie es im Friedensabkommen festgelegt wurde.
Die Protestanten hatten das Dokument zwar unterschrieben, aber versuchten es seitdem einseitig für einen Propagandasieg nachzubessern. Sie verlangten von der IRA ultimativ einen Termin für die Waffenübergabe.
David Trimble, der Führer der protestantischen "Unionisten", versprach seiner Partei den Rücktritt, wenn die IRA kein Zeichen der Abrüstung setzt. Da die Briten dem aber zuvor kommen wollten, mit der Hoffnung, doch noch zu einem Kompromiss zu kommen, haben sie die Suspendierung gewählt.
Im dem Moment schien es unmöglich. Irische Regierung und Sinn Fein haben das Maximum an Zugeständnissen von der IRA erreicht. Sie garantierten Gewaltlosigkeit, Unterstützung des Friedensprozesses und die Notwendigkeit der Abrüstung.

Am 12. Juli 2000 gab es Siegesmärsche, die an die Katholiken im 17. Jahrhundert erinnern sollten. Mit brennenden Autos, Steinhagel und Feuerwerkskörpern gegen die Polizei, die ihrerseits Wasserwerfer und Plastikgeschosse einsetzte, demonstrierte der protestantische Mob gegen das Verbot ihrer Paraden durch katholische Viertel. Über den Köpfen der Protestanten prangten Banner, die ewige Treue zur britischen Krone gelobten.
Die Kirche von Drumcree war ihr Zentrum. Bereitschaftspolizei und Armee haben sie mit Panzergräben und Stacheldraht gegen die katholische Gravaghy Road abgeriegelt, um zu verhindern, dass die Oranier dort durch marschieren.

Neue Chance auf Frieden

Am 24. Oktober 2001 gelang ein Durchbruch im nordirischen Friedensprozess. Die republikanische Untergrundorganisation IRA machte endlich ihr Versprechen wahr und begann ihre Waffen- und Sprengstoffarsenale aufzulösen, um mit dieser einzigartigen Aktion den Friedensprozess zu retten und die Protestanten von ihrem guten Willen zu überzeugen.

Gründe:
  • Der Chef der republikanischen Ulster Unionist Party (UUP), David Trimble, konnte es nicht mehr hinnehmen, dass die IRA wieder und wieder die Abrüstung verzögerte und trat deshalb im Juni 2001 zurück.
  • Die ganze protestantische Ministerriege in Belfast trat zurück. Folge: Die Briten hätten die Provinz wieder unter die direkte Kontrolle Londons stellen oder Neuwahlen abhalten müssen - beides wäre ein Grund für die Wiederkehr der Gewalt gewesen.
  • Irischstämmige Amerikaner finanzieren die IRA mit ihren Spenden. Durch die dramatischen Ereignisse des 11. Septembers 2001 wollte die USA nicht gleichzeitig einen "Krieg gegen den Terror" führen und die älteste Terrororganisation der Welt weiter aus historischer Sentimentalität unterstützen.
  • Im September wurden drei IRA-Mitglieder, von denen einer der Sinn-Fein-Vertreter in Havanna (Kuba) war, in Kolumbien nach einem Aufenthalt bei den linken FARC-Rebellen festgenommen. Die offensichtliche Nähe zu den Rebellen hat die USA verärgert.
Gefahren:
  • Einige militante IRA-Anhänger verurteilten den Beginn der Entwaffnung als Betrug und kündigten eine Fortsetzung des bewaffneten Kampfes an.
  • Die Real IRA wird weiter an der Stelle der Irisch-Republikanischen Armee gegen die britische Besetzung Nordirlands kämpfen.
Zukunft:
  • Der zurückgetretene Chefminister David Trimble ist zur Rückkehr in sein früheres Amt bereit.
  • Eine beträchtliche Menge von Waffen ist unbrauchbar gemacht worden.
  • Tony Blair und die Regierung erklären sich zu einer Umbildung der Polizeieinheiten in Nordirland und zur weiteren Reduzierung der britischen Truppen in den Provinzen bereit (seit langem eine Forderung der IRA).

Der Frieden ist greifbar nahe!

Die IRA erklärte sich am 21. Oktober erneut zur Entwaffnung bereit, die britische Regierung kündigte für den 26. November Wahlen für das autonome Parlament und die Regierung der Provinz Nordirland an. (Dieser Prozess war seit einem Jahr gestoppt worden.) Dies ist der alleinige Erfolg der Verhandlungen zwischen dem protestantischen Führer David Trimble und Gerry Adams, dem Chef der Sinn-Fein-Partei, der einen vollkommenen Verzicht auf Gewalt und Terror versprach, was wenige Tage später von der IRA als "akkurat unsere Position" bestätigt wurde.

Im Dezember 2004 stockten die Friedensverhandlungen, weil Ian Paisley verlangt hatte, die Entwaffnung zu fotografieren und zu veröffentlichen. Dies empfanden die IRA und Sinn Fein als unzumutbare Demütigung. Also erhielt Nordirland seine Autonomie nicht zurück und wurde weiterhin von London aus regiert.


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Folgen und Auswirkungen:

Nordirland zeigt, wohin Hass und Engstirnigkeit führen können: In den vergangenen 30 Jahren wurden von den 1,5 Millionen Einwohnern der Provinz rund 3.600 Menschen getötet.

Statistiken:

Zwischen 1969 und 1998 sind 3.480 Menschen in Nordirland in Folge von Terroranschlägen oder Straßenschlachten gestorben. Ein Blick auf die Statistik straft die Behauptung der Terroristen Lügen, sie würden nur andere Terroristen oder die Sicherheitskräfte angreifen.

Zugehörigkeit der Opfer: Anzahl der Opfer:
Zivilisten 1.838
Britische Sicherheitskräfte 1.111
Republikan. Paramilitärs 388
Loyalistische Paramilitärs 133
Irische Sicherheitskräfte 10
Alter der Opfer: Anzahl der Opfer:
019 Jahre 533
20-29 Jahre 1.259
30-39 Jahre 747
40-59 Jahre 739
60-99 Jahre 191
Für den Tod verantwortlich: Anzahl der Opfer:
Republikan. Paramilitärs 2.043
Loyalistische Paramilitärs 991
Britische Sicherheitskräfte 363
Irische Sicherheitskräfte 5
Unbekannt 78
alle Zahlen aus: Sutton Index of Deaths (Frühere, inzwischen veraltete Quelle: www.br-online.de)

Leben in Nordirland - der alltägliche Terror:

Nordirische Städte unterscheiden sich von anderen Städten hauptsächlich nicht durch die großen Explosionen, sondern durch viele kleine Dinge, die sich wegen des Terrors in den Alltag hineinschlichen.

In loyalistischen Vierteln sind bis heute die Bordsteine in den britischen Nationalfarben bemalt und an den Straßenmasten hängen britische Fahnen. In den republikanischen Gebieten hängt entsprechend die irische Flagge und die Rinnsteine sind grün-weiß-orange bemalt.


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Das formelle Ende des Bürgerkriegs

"Die Führung der IRA hat formell ein Ende des bewaffneten Kampfes befohlen". Mit dieser Erklärung hat die IRA am 28. Juli 2005 den endgültigen Ausstieg aus dem gewaltsamen Konflikt betont. Alle Einheiten wurden angewiesen ihre Waffen abzugeben und sich in Zukunft nur noch mit friedlichen Mitteln für ihre Interessen einzusetzen.

Ende September 2005 bestätigte die Internationale Entwaffnungskommission, dass der Prozess abgeschlossen sei, das heißt, dass alle Waffen der IRA zerstört worden seien. Es gibt jedoch keine Beweisfotos.

Im März 2007 haben die radikalen Protestanten und die katholische Sinn Fein beschlossen, eine gemeinsame Provinzregierung zu bilden. Ian Paisley, der Chef der Democratic Unionst Party (DUP), meldete Ansprüche auf das Amt des Chefministers an. Die Regierung in London begrüßte die Vereinbarung.

Im Mai 2007 wurde eine Allparteienregierung installiert. An die Spitze wählte das Parlament in Belfast den protestantischen Politiker Ian Paisley und den stellvertretenden Führer der IRA-nahen Sinn Fein, Martin McGuiness.

Die weitere Entwicklung

Seit 1989 gibt es keine Kampfhandlungen mehr und der Friedensprozess schreitet voran, aber langsamer als gehofft. Bürger und Touristen können sich gefahrlos im ganzen Land bewegen. Aber in den Köpfen der beiden Religionen ist der Friede noch nicht ganz eingekehrt. Fast alle Kinder werden immer noch in konfessionell getrennten Schulen erzogen und mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wohnen in Stadtteilen der gleichen Konfession. Die Stadtteile werden durch Mauern und Stacheldrahtzäunen voneinander getrennt, man spricht von „Friedenslinien“ – 80 Stück!

Im März 2009 kam es zu zwei Terroranschlägen. Am 7. März wurden vor einer Kaserne in Belfast zwei Soldaten von Aktivisten der "Real IRA" erschossen. Tage später wurde ein nordirischer Polizist erschossen, der auf Grund eines Notrufs zu einer Schule in Craigavon in der Grafschaft Armagh gekommen war. Eine Splittergruppe der ehemaligen IRA namens "Continuity IRA" bekannte sich zu dem Anschlag. Politiker aller Parteien, auch die Sinn Fein, verurteilten die Bluttaten.

Im Juli 2013 wurde Belfast von mehrtägigen Krawallen erschüttert. Brandsätze und Plastikgeschosse flogen in den Außenbezirken der nordirischen Hauptstadt. Auslöser waren Umzüge der Protestanten, mit denen der Sieg König Wilhelms von Oranien gegen die irischen Katholiken im Jahre 1690 gefeiert wurde.



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Quellen:

Biographisches Institut Mannheim: Duden Lexikon, 3. Auflage, Mannheim 1967

Dingemann, Rüdiger: Westermann Lexikon, Krisenherde der Welt, Braunschweig 1996

Macfarlane, Michael: Crossover 2, 1. Auflage, Berlin 1997

MacMaster, Ian: Spotlight 8/97, München 1997

Schöningh, Ferdinand: How do you do, Paderborn1983

Prof. Schwarz, Helmut: English G, B5, 1. Auflage, Berlin 1989

Sturm, Roland; Diel, Elke; Faulenbach, Jürgen; Hesse, Christian; Irrgang, Astrid: Informationen zur Politischen Bildung, Großbritannien, München, 1. Quartal 1999,

Taylor, Patrick, Only Wounded, erschienen in Spotlight 9/99, München 1999

Zeller, Alfred P.: Lexikon 2000, 2. Auflage München 1976

Haller Tagblatt: 00-01-10, 00-02-14, 02-01-25, 03-10-22, 2004-12-09, 2005-07-29, 2005-09-27, 2007-05-09, 2009-03-11
2015-07-23

de.wikipedia.org/wiki/Ian_Paisley

www.br-online.de (Adresse existiert nicht mehr)

www.spiegel.de



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Stand: 2020-04-06
Letzter Bearbeiter: Jürgen Gierich
Urautorin: Carmen Denner
Frühere Bearbeiterinnen: NC (2003), Stefanie Kienzle, Franziska Lemke (2000), J.Gierich(2003), Yvonne Rieger, Katrin Seubert (April 2005)
Grafik: "Unsere Erde" von Rudas & Karig (Verlag Markt & Technik)
Datei: nordirl/nordir.htm