Afghanistans Entwicklung mit ausländischer Unterstützung

Der Bürgerkrieg in Afghanistan wurde zunächst als beendet betrachtet, als die USA im Auftrag der NATO im Kampf gegen den Terror Osama bin Ladens das Taliban-Regime beendeten. 
Aber leider ist das Land danach nicht zur Ruhe gekommen. Auch die ausländischen Truppen, die mit ca. 10.000 Soldaten im Land waren, schafften es nicht, für einen dauerhaften Frieden zu sorgen. Auch Verhandlungen mit den Taliban brachten nicht die gewünschte Befriedung.
Im Jahr 2021 beendeten die USA und die Bundesrepublik Deutschland ihren Einsatz. Das führte zum Wiedererstarken der Taliban. Lesen Sie die Weiterentwicklung auf der nächsten Seite...
Afghanistan-Karte

Beginn - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Folgen - Lösungsansätze - Quellen

Beginn und Ende:

Nach dem Ende des Krieges der USA und der NATO gegen Osama bin Laden und der Versuch der internationalen Schutztruppe Isaf, dem Land den Weg in den Frieden zu bereiten, kamen die innerstaatlichen Konflikte zwischen der Staatsmacht und den Taliban nicht zur Ruhe. Als "Beginn" kann man nur die Fortsetzung des Bürgerkriegs nennen. Als Ende ist der Abzug des ausländischen Militärs zu definieren.


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Ursachen:

Die Konflikte der Vergangenheit wurden nicht beseitigt, siehe die Seite über den Bürgerkrieg.


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Konfliktparteien und ihre Ziele:


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Verlauf des Konfliktes:

Fettgedruckte Daten bezeichnen genau das beschriebene Ereignis; normal gedruckte Daten geben die Veröffentlichung in der Presse wieder.

Details zu einzelnen Kampfhandlungen s. auf der Detailseite.

2015-09-28
Die Provinzhauptstadt Kundus, ehemaliger Standort der deutschen Schutztruppe, wurde von den Taliban (rund 2000 Krieger) zurückerobert. Sie befreiten mehr als 600 Häftlinge, darunter 144 Taliban. Sie setzten die Geheimdienstzentrale in Brand.
Der Vizegouverneuer und viele der Bewohner flüchteten zum Flughafen.
2015-09-29
Die afghanischen Streitkräfte starteten eine Gegenoffensive. Die US-Luftwaffe unterstützte die afghanischen Bodentruppen.
2016-05 Bei einem Drohnenangriff der USA wurde der Taliban-Chef Achtar Mansur in Pakistan getötet.
2020-03-04 Aufkündigung der Teil-Waffenruhe durch die Taliban: 33 Angriffe auf afghanische Militärstützpunkte in einem Tag. Sechs tote Zivilisten, 14 Verwundete. Auf Talibanseite acht Tote und 15 Verletzte.
2020-04-06 Festnahme des örtlichen Anführers der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat Aslam Farooki.
2020-04-08 Die Taliban haben ihren Rückzug aus den Verhandlungen mit der Regierung in Kabul angekündigt, weil der besprochene Gefangenenaustausch nicht durchgeführt wird. Vgl. Lösungsansätze 2020.
2020-08-10 Dreitägige Waffenruhe. 3400 Vertreter diskutieren seit 7. August über die geplanten Friedensgespräche mit den Taliben.
2021-02-24 Der deutsche Bundestag hat das Mandat der Bundeswehr (für 1300 Soldaten) bis zum Januar 2022 verlängert.  Eigentlich sollten die amerikanischen und deutschen Soldaten im März 2021 abgezogen werden. Das hat der amerikanische Präsident Trump im Jahr 2020 mit den Taliban ausgemacht; die sollten mit der Staatsgewalt ins Gespräch gehen. Da das bislang kaum realisiert wurde, hat der neue amerikanische Präsident, Joe Biden, den Abzug ausgesetzt.
2021-06-30 Ankunft der letzten Bundeswehrsoldaten in Wunstorf. Brigadegeneral Ansgar Meyer bedankte sich mit den Worten "Mission accomplished - Sie haben Ihren Auftrag erfüllt."

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Folgen des Konflikts:

Im Jahr 2015 (bis Ende August) wurden nach einem Bericht der "New York Times" etwa 4100 afghanische Sicherheitskräfte getötet und Tausende verwundet. Die UN meldete von Januar bis Juni 2015 auch sehr viele zivile Opfer: 1592 Tote und 3329 Verletzte; das sind ein Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Nach dem vermeintlichen Ende des Krieges sollten die fremden Truppen abziehen. Die USA stoppten ihren Truppenabzug. Von  9800 Soldaten (im Oktober 2015) sollen noch etwa 5500 über den Jahresanfang 2017 hinaus in Afghanistan bleiben.
Auch in Deutschland wurden Überlegungen angestellt, den Abzug der deutschen Truppen aufzuschieben, jedoch am 17. Dezember 2015 stoppte das deutsche Parlament den Abzug. Statt 850 Soldaten sollen ab 2016 980 Soldaten die afghanischen Streitkräfte ausbilden und beraten.

Großbritannien hat zusätzliche Soldaten in den Süden Afghanistans entsandt, um gegen die Taliban vorzugehen.

Die afghanische Armee bemüht sich, ist aber wegen mangelnder Ausrüstung nicht fähig, offensiv gegen die Taliban vorzugehen. Viele Soldaten verlängern ihren Vertrag nicht oder begehen sogar Fahnenflucht.

Bilanz für 2016: 3.500 Tote, mehr als 7.900 Verletzte. Für zwei Dittel seien die Taliban verantwortlich, für ein Viertel Regierungstruppen, für knapp 900 der IS (nach einem UN-Bericht). Seit 2009 steigt die Zahl der zivilen Opfer stetig, im ersten Halbjahr 2016 waren es schon 4 Prozent mehr als 2015.

November 2018: Die afghanischen Regierungstruppen kontrollieren weniger Distrikte als früher: nur noch etwas mehr als die Hälfte. Von den 407 Distrikten sind 132 umkämpft, das heißt sie werden weder von der Regierung noch von den Taliban kontrolliert.

Bilanz 2018: Von Januar bis November 2018 sind mehr als 301.000 Menschen aus ihren Dörfern und Städten wegen der Kämpfe geflohen (Bericht der UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA).

Bilanz des Bundeswehreinsatzes (2019): 50 Bundeswehrsoldaten sind in Afghanistan gestorben. Ihr Einsatz für das geschundene Land zeigt wenig Früchte, so halten die meisten die Entwicklung in Afghanistan für nicht erfolgreich. Allerdings finden 52 Prozent der Soldaten, dass sie einen Beitrag geleistet haben, um den Menschen vor Ort zu helfen. Die Heimkehrer in ihr Heimatland Deutschland sind oft traumatisiert und finden sich nur schwer wieder in "deutsche Verhältnisse" zurück. (Quelle: "Leben nach Afghanistan", eine Studie von Anja Seiffert und Julius Heß, 2017)

Juli 2019: Nach Angaben der UN-Mission in Afghanistan wurden in diesem Monat mehr als 1500 Zivilisten verwundet oder getötet. Dies ist die höchste Zahl seit Mai 2017. 

Die UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) zieht folgende Bilanz: Seit Beginn 2019 sind mehr als 350.000 Menschen innerhalb des Landes geflohen, davon aus den nordöstlichen Provinzen mehr als 165.000. (Stand: Mitte Oktober 2019)

Juli 2020: Die UN-Agentur zur Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA): Seit Januar sind mehr als 100.000 Menschen aus ihren Dörfern geflohen - aus 30 der 34 Provinzen. Darunter waren zu 59 Prozent Kinder unter 18 Jahren.

August 2020: Seit 2009 sind mindestens 100.000 tote Zivilisten zu beklagen, seit 2001 starben 1.800 US-Soldaten. Die Kriegskosten für die USA sollen sich auf mindestens eine Billion Dollar belaufen.

Bilanz des Jahres 2020: Nach Aussage der afghanischen Menschenrechtsorganisation AIHRC sind 2020 die Anzahl der zivilen Opfer im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Waren es 2019 noch 10.772 Tote und Verletzte, wurden 2020 nur 8.500  gemeldet. Als Grund wurde angegeben, dass sich die Anschläge der Taliban nach einem Abkommen mit den USA reduzierten.


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Lösungsansätze:

Im Dezember 2015 reiste der pakistanische Armeechef Raheel Sharif nach Kabul, um Friedensgespräche vorzubereiten. Gesprächspartner waren der afghanische Präsident Aschraf Ghani und der Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah. Ziel der Gespräche ist die gemeinsame Bekämpfung der Taliban.

In Brüssel tagte am 18. und 19. Oktober 2016 die elfte internationale Geberkonferenz: Vertreter aus 70 Staaten und mehr als 20 internationalen Organisationen.

2019: Verhandlungen der USA mit den Taliban im Wüstenemirat Katar. Neun Verhandlungsrunden wurden durchgeführt, bis im September in Kabul ein Anschlag erfolgte, bei dem ein US-Soldat und weitere elf Menschen getötet wurden. Dann sagte US-Präsident Donald Trump die Fortführung der Gespräche ab.

2020, 29. Februar; Unterzeichnung des so genannten Doha-Abkommens zwischen den USA und den Taliban im Golfemirat Katar. Ziel: Abzug aller amerikanischen Truppen (gegenwärtig 13.000 Soldaten) bis Ende April 2021. Bis Mitte Juli 2020 sollen bereits 4.400 Soldaten abgezogen werden. Es sollten gefangene Taliban-Kämpfer freigelassen werden. Die afghanische Regierung bot 1500 Gefangene an, die Taliban verlangten 5000. Somit geriet der Friedensprozess ins Stocken.

Im August 2020 sagte der Vorsitzende des Rats für Versöhnung, Abdullah Abdullah: "Wir stehen an der Schwelle für Friedensverhandlungen", nachdem beschlossen worden war, dass 400 Taliban freigelassen werden, was dann auch geschah. (Die große Ratsversammlung heißt Loja Dschirga.) Das Verhandlungsteam der Taliban ist Anfang September in Katar eingetroffen.

Das Ende der ausländischen Militärpräsenz

Nachdem der amerikanische Präsident Donald Trump im Jahr 2020 den Abzug der amerikanischen Truppen angekündigt hatte, setzte sein Nachfolger, Joe Biden, einen Termin: Am 11. September 2021 - 20 Jahre nach dem Angriff auf die Twin Tower in New York - sollte der Abzug erfolgt sein. Neben 2.500 US-Soldaten haben weitere 35 Staaten Militärkräfte in Afghanistan stationiert; das zweitgrößte Kontingent - 1100 Soldaten -  kommt aus Deutschland. Die Nato beschloss danach auch den Abzug aller ihrer Truppen.

Während der Militärpräsenz starben 2.300 US-Soldaten und 29 deutsche Soldaten.

Eine Zwischenbilanz vom Januar bis April 2021 verzeichnet 573 tote und 1210 verletzte Zivilisten - das sind 29 Prozent mehr als im ersten Quartal des Jahres 2020. 

Beobachter befürchten, dass die mühsamen Erfolge der vergangenen Jahre zunichtegemacht werden. Dazu zählen Frauenrechte, die Einführung eines Wahlsystems, Meinungsvielfalt und eine Schulbildung, die sich dadurch auszeichnet, dass 9,2 Millionen Kinder zur Schule gehen können - zehnmal mehr als 2001.

Wie zu erwarten war, kam es schon vor dem endgültigen Abzug zu Kampfmaßnahmen der Taliban, s. Detailseite.

Die Luftwaffenbasis Bagram wurde Ende Juni 2021 an die afghanischen Sicherheitskräfte übergeben. Bagram war der größte Stützpunkt der Koalitionstruppen und zugleich das Hauptquartier des US-Militärs. Zeitweise waren dort bis zu 30.000 Soldaten stationiert.

US-Präsident Biden kündigte das Ende des Einsatzes für den 31. August an. Zwar gab er zu, dass die Taliban wieder erstarkt sind  - wie nie seit Ende 2001 - , aber er wolle nicht eine "weitere Generation Amerikaner" in diesen Krieg schicken.

Die Bilanz des Bundeswehreinsatzes

Die Einsatzzeit: fast zwei Jahrzehnte - genau 7119 Tage

Die Soldaten: 160.000 Soldaten insgesamt, in der Regel jeweils vier bis sechs Wochen lang; 59 kamen ums Leben, davon 35 durch Fremdeinwirkung; für die Mission "Resolute Support" waren 1100 Deutsche im Einsatz.

Material: 123 Fahrzeuge, darunter Transporthubschrauber, Panzer, Kran- und Tankwagen wurde nach Deutschland zurückgebracht.

Kosten: 12 Milliarden Euro (nach Angaben des Auswärtigen Amts)

Die Lehren aus dem Einsatz

Stefan Kegel zog in der Südwest Presse drei Lehren aus dem Einsatz:

1. Die Nato zeigte, dass die Bündnispartner gemeinsam auftreten können.

2. Demokratie lässt sich aus den westlichen Staaten nicht in völlig anders strukturierte Staaten exportieren.

3. Die Gegner der Demokratie, die Taliban, werden wieder erstarken.


Beginn - Ursachen - Konfliktparteien - Verlauf - Folgen - Lösungsansätze - Quellen

Quellen:

Dingemann: Krisenherde der Welt. Braunschweig: Westermann 1996

Haller Tagblatt: 2015-08-03, -31
2015-09-29, -30
2015-10-05, -10-16
2015-12-18, -23
2016-01-10
2016-07-25
2016-10-05
2016-11-12, -22
2017-02-07, -07-16, -07-24
2017-08-03
2018-03-22, -04-04, -08-14
2018-11-02, -11-13, -11-28
2019-02-06, -03-02, -07-30, -08-05, -09-04, -09-09, -10-29, -12-04
2020-03-02, -03-04, -03-13
2020-04-02, -04-06, -04-08, -05-13, -05-29, -07-31, -08-04, -08-10, -08-12, -08-24, -09-07, -10-06, -10-13, -11-03, -11-23, -12-21
2021-01-16, -01-20, -01-28, -02-18, -02-25, -04-15, -05-10, -05-25, -05-31, -06-07, -06-10, -07-01, -07-03, -07-10, -07-20 



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Stand: 21-07-29
Letzter Bearbeiter: Jürgen Gierich
Grafik: "Unsere Erde" von Rudas & Karig (Verlag Markt & Technik)
Datei: afghanis/afghan3.htm
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